(Original von Reideen)
Egal wie oft Rafael ihr auch gegenüberstehen durfte (was bisher effektiv einmal der Fall war) oder wie oft er ihr noch gegenüberstehen würde, er glaubte nicht das sich sich das Gefühl jemals ändern würde. Der wunderbar gefertigte Thron aus Holz an dem riesigen alten Baum, dessen Kraft einen fast überwältigte. Zwei Elfen in prächtiger Kleidung standen neben dem Thron und aus beiden leuchteten die dunklen Augen in denen man nichts ausser das durchgehend Schwarze erkennen konnte. Avatare der Hexenkönigin. Zwei der Wenigen die sich offen als Avatare bekannt geben, bemerkte man. Aradil nutze ihr natürlich Charisma wahrscheinlich um sich die Loyalität von vielen zu sichern. Einer war ein Caransil, also ein Waldelf. Ein Adliger, vermutete Rafael der andere war ein Miransil, ein Meereself. Beide starrten sie die Gruppe wie zwei Statuen an die den Thron beschützten. Die Sonnenstrahlen traten einzeln aus den Baumkronen heraus und erleuchteten dieses Szenario so, dass es schon etwas heiliges hatte. Der Baum von Erethor war ein lebendiger Nexus voll spiritueller Energie und wohl die größte Quelle von magischer Kraft die man auf Eredane finden konnte. Jeder, der auch nur ein wenig etwas über Magie verstand wusste, dass jenes komische und nostalgische Gefühl was jeden erfüllte der in Erethor einzug hielt, größtenteils von diesem Baum stammte. Im Hintergrund sangen die elfischen Sänger, fast ununterbrochen, Lieder der Trauer über ihre gefallenen Brüder und Schwestern an der Burning Line. Gemischt mit dem Geflüster des Waldes, welches hier, im Herzen Erethors selbst für Menschen deutlich hörbar war ergab es dieses Nostalgiegefühl und das kleine bisschen Trauer das kein Elf von Erethor heutzutage ablegen konnte. Manche behaupteten die Stimmung von Erethor spiegelt auch die Stimmung Aradils wieder aber das ist nur eine Vermutung. Dann trat eine, fast schon unwirklich, alte Elfe in die Thronlichtung. Durch hochgewachsene Wurzeln und Gestrüpp kam sie durch etwas, das zwar eigentlich nur eine Öffnung in der sonst undurchgänglichen Pflanzenwand war, aber wohl noch am ehesten als Tür bezeichnet werden konnte. Ihre Falten waren so tief wie Klippen, ihre Nase gekrümmt, ihr Kinn spitz und ihr Blick hart. Für jemanden der sie nicht kannte hätte sie wohl die perfekte Märchenhexe abgegeben. Tatsächlich war sie aber Aradils vertrauteste Dienerin. Die Seherin von Erethor. Selbst die Avatare verneigten sich und schnell wurde auch den Neuen in der Gruppe auch klar das sie es mit mehr als einer Respektsperson zu tun haben. So erwiess jeder auf seine Art der uralten Elfe seinen Respekt.
"Die Hexenkönigin hat euch gerufen um euch erneut für eure Taten zu danken. Nur selten schaffen es Menschen Aradil zu erblicken, noch seltener jedoch zweimal. Ihr solltet also etwas darauf halten. sagte sie, wirkte dabei jedoch weit weniger arroganter als ihre Worte es vermuten liessen. Tatsächlich hatte jeder der Gruppe die Gerüchte um Aradils schwindenden Mut gehört. Wochenlang soll sie sich unter dem Baum aufhalten und in die Zeit in einer trauernden Trance überdauern. Doch sie zeigte sich dann und wann und jeder der zweifelte verwarf seine Bedenken für ein oder zwei Wochen. Völlig unbemerkt von allen beteiligten schlich sich eine Person hinter der Gruppe an und legte jedem der Mitglieder, welche im ersten Augenblick erschrocken und im zweiten erstarrt waren, die Hand auf die Schulter. Ihr schneeweisses Gewandt schien zwar länger als ihr eigener Körper zu sein, berührte es doch nicht einmal den Boden sondern schwebte regelrecht dezent einige Zentimeter über diesem. Ihr langes rabenschwarzes Haar lag ihr auf auf den Schultern noch feiner als Seide und ihre weisse Haut liess alle Anwesenden die Augen zukneifen. Es war die Aura der Hexenkönigin die sie so unglaublich machte. Baarfuß lief sie über den Waldboden, schien jedoch gleichzeitig nicht einen einzigen abgeknickten Grashalm zu hinterlassen. Und ihr sanfter Geruch, wie ein nasser Sommermorgen, zog sich wie ein Schleier hinter ihr her.Langsam verging die Zeit bis Aradil endlich an ihrem Thron angekommen war. Aber dennoch kribbelten die Stellen die sie bei der Gruppe berührt hatte. Tatendrang und Mut stellte sich bei allen ein. Nichts liess sie in diesem Moment am endgültigen Sieg zweifeln der irgendwann kommen würde. Jetzt da sie sich umdrehte sahen alle ihre berühmten schwarzen Augen, die jeder Avatar von ihr erbte wenn er nur weit genug mit ihr Verbunden war.
"Ich freue mich das ihr diesen alten Geist zu mir gebracht habt. Er wird sehr nützlich für unser Bestreben, das Vorrankommen des Schattens in Erethor zu verhindern, sein, alleine schon deshalb weil der Schatten ihn nun nicht mehr ausnutzen kann" sagte sie. Ihre Stimme klang sehr Erwachsen aber nicht alt und hallte in diesem kleinen Waldstück wie der Klang einer Glocke wieder. Rafael stockte der Atem. Sie hatte schon einige Male mit ihm geredet, über Avatare oder Zaubersprüche, aber wenn sie mit ihrer eigenen Stimme redete war es doch etwas ganz anderes. "Ich freue mich das ihr trotz eurer schweren Zeit nicht aufgebt. Ich spühre das Feuer der Hoffnung in euren Herzen und das ihr es an andere weitergeben könnt.", sagte sie und blickte über die Gruppe. "Die Passion und die Leidenschaft der Menschen kommt wieder zum Vorschein so wie ich sie damals erleben durfte, als sich die Menschen Erenlands vom Imperium der Sarkossen losgesagt hatten. Vielleicht wird es diese Leidenschaft sein die euch, junger Prinz, helfen wird.", sie lächelte ein wenig. "Ich beobachte euer Vorrankommen genau...und sehe welch unterschiedliche Figuren sich hier zusammengerauft haben. Personen die mal mehr oder mal weniger Leid erfahren mussten.Personen die ihre gemeinsamen Ziele und die Not zusammengeführt haben. Fühlt euch in Erethor und fragt wenn ihr etwas braucht. Wenn es uns möglich ist, werden wir euch versorgen. Ich werde ein paar Herdsteine und Erethortee für euch bereitlegen lassen für den Fall das ihr abreisst. Ich muss mich jetzt aber leider wieder einigen Studien widmen...bitte entschuldigt, dass ich mich nicht länger mit euch unterhalten kann, aber ich bin sicher ihr werdet euren restlichen Aufenthalt in Erethor geniessen."
Die Gruppe wurde aus der Thronlichtung geführt, zurück in die Straßen Erethors. Bäume die hunderte von Metern in den Himmel ragten und die Behausungen der Elfe auf ihren Plattformen trugen. Hier im inneren von Erethor liefen viele gerobte und vor allem junge Elfen umher. Einige von ihnen studierten an der magischen Akademie von Erethor andere gehörten zum noblen Volk und wenn man es nicht besser wüsste hätte man beinahe denken können es hätte nie einen Schatten gegeben. Nur die erstaunlich niedrige Anzahl an alten Menschen brach die schaurige Tatsache wieder hoch. Auch einige Waisen sah man die sich von Baum zu Baum bewegten und sozusagen schon ihren Einsatz als Soldaten übten. Rafael griff in seine Gürteltasche und holte eine einzelne Beere heraus und steckte sie sich, sekunden später, in den Mund. "Wenn ihr wollt könnt ihr etwas essen. Ich werde ein wenig schlafen, denke ich. Wir treffen uns heute Abend in den uns zugewiesenen Quartieren wieder" sagte er und nachdem alle zugestimmt hatten verschwand er im Grün der Wälder.