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 Vins Kurzgeschichte

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Reideen
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BeitragThema: Vins Kurzgeschichte   Vins Kurzgeschichte Icon_minitimeFr Sep 26, 2008 11:50 pm

(Original von Vin)

... wenn ich eigentlich lernen sollte, bin ich am produktivsten. ;)




Heimkehr

»Dein Haar sieht wundervoll aus...« Lächelnd fischte Jaren einen dünnen Zweig aus Ynnleas widerspenstigem Haar und ließ dabei wie beiläufig seine schlanke Hand über ihre Wange gleiten.
»Der Dunkle Gott hat keine schönere Dienerin als dich.«
»Ja, ja.« Ynnlea stieß die Hand des jungen Legaten grob beiseite und wich ungehalten einen Schritt zurück, um sich seinem Griff zu entziehen. »Und jetzt lass mich vorbei, Jaren.«
Das Lächeln wich nicht von Jarens Gesicht, während er sich langsam die schwarze Robe glatt strich und den dürren Körper straffte.
»Nun, ohne einen angemessenen Wegezoll kann ich dich nicht in den Tempel lassen.«, verkündete er schließlich unter einem breiten Grinsen und stützte sich mit einem Arm so am Rahmen des Eingangsportals ab, dass Ynnlea nicht passieren konnte.
Einige scheinbar ins Unendliche gedehnte Sekunden lang sah sie ihn aus kalten, schmalen Augen an.
»Ein Wegezoll
»Sicher. Ein Kuss von deinen süßen Lippen und der Tempel steht dir offen.«
Langsames Verstehen blitzte in Ynnleas Augen auf. Schneller, als Jaren reagieren konnte, zuckte ihre Hand unter den dunklen, staubigen Reisemantel, den sie trug, und nur einen Wimpernschlag später presste Jaren mit vor Überraschung und Schmerz geweiteten Augen die linke Hand auf einen tiefen Schnitt in seinem rechten Unterarm. Ohne den peinerfüllt in die Knie sinkenden Legaten eines weiteren verächtlichen Blicks zu widmen stieg Ynnlea über ihn hinweg und betrat die kühle Haupthalle des Tempels, während sie ihren blutbefleckten Dolch mit einer geschmeidigen Bewegung wieder an seinen Platz gleiten ließ.
»Hure!«, presste Jaren hinter zusammengebissenen Zähnen hervor, die Stimme voller Abscheu.
Ynnlea wandte langsam den Kopf und sah den jungen Mann fast mitleidig an. Ein breites Lächeln tanzte auf ihren Lippen. »Zugegeben, du hast allen Grund zum Neid, Jaren.«
Sie warf das dunkle, unordentliche Haar in den Nacken und trat vollends in das düstere Zwielicht, das den Tempel erfüllte. An der Stirnseite der Halle konnte sie die pulsierende Dunkelheit des Schwarzen Spiegels erkennen, flankiert von den engen Eisenkäfigen, in denen die Opfer während der Predigt ihrem Ende entgegen sahen. Ynnleas Schritte schienen unendlich laut in der leeren Kathedrale wiederzuhallen und ihre schweren, von der Reise schmutzigen Stiefel hinterließen schlammige Abdrücke auf dem Steinboden.
Langsam, den Körper ergriffen von einer plötzlichen bleiernen Schwere, trat sie auf den Spiegel zu und sank zu einem kurzen, stillen Gebet auf die Knie.
»Du bist zurück.«
Als sie die vertraute Stimme hinter sich vernahm, sprang Ynnlea hastig auf, wirbelte herum und warf sich dem hochgewachsenen Legaten, der an sie herangetreten war, lächelnd in die ausgebreiteten Arme.
»Ich hab’ dich vermisst.«, flüsterte sie und presste ihre Wange fest an seine, während ihre Finger durch sein gepflegtes, weiches Haar fuhren. »Jedes Mal vermisse ich dich mehr, Kil.«
Kil lachte leise, schlang seinen Arm fest um ihre schlanke Taille und zog sie mit sich in seine Gemächer, die sich in einem Seitenflügel des Tempels befanden. »Ich hoffe, du kannst dieses Mal etwas länger bleiben. Wenigstens bis zur Mitternachtsmesse in drei Tagen.«
»Ich denke nicht«, Ynnlea schüttelte langsam den Kopf, »In drei Wochen erwartet man mich in Theros Obsidia und ich sollte dort nicht mit leeren Händen erscheinen.«
Kil nickte, wenn auch enttäuscht. »Ja, mir ist aufgefallen, dass du keine---«
»Da war ein Mädchen.«, unterbrach ihn Ynnlea mit einem gleichgültigen Schulterzucken, »Sie ist gestern gestorben. Sie war zu schwach.«
»So etwas passiert dir erstaunlich oft.« Kil sah sie aus schmalen Augen an.
Ynnlea machte eine wegwerfende Handbewegung und lächelte desinteressiert. »Vielleicht.«
Ihr Astirax hatte das Kind in einem durch die jüngste Dürre an den Rand des Todes gedrängten Dorf aufgespürt, und Ynnlea hatte herausgefunden, dass es dem Mädchen sogar gelungen war, seine magischen Kräfte zu nutzen, um Wasser in einigen schlammigen Löchern entstehen zu lassen. Das allein war Grund genug gewesen, die Eltern des Kindes öffentlich hinzurichten und allen, die von dem Wasser getrunken hatten, den Rücken blutig peitschen zu lassen.
Das völlig verängstigte, ausgemergelte Kind hatte Ynnlea mit sich genommen. Der Funke der Magie hatte hell in seinem Inneren geleuchtet, aber sein Geist war furchtsam, schwach und stumpf gewesen, und sein Körper war den Strapazen der zügigen Reise nicht gewachsen gewesen, ebenso wenig wie den brutalen Späßen der Orks. Es tat Ynnlea nicht leid um das Mädchen, im Gegenteil, fast war sie erleichtert gewesen, als der Glanz in seinen dunklen Augen endgültig erloschen war.
»Die Schwachen wären dem Schatten ohnehin keine würdigen Diener.«, fügte sie lakonisch hinzu und legte ihren Kopf auf Kils Schulter. »Ah, ich brauche unbedingt ein Bad...«

Als die Sonne hinter dem Horizont versunken war, versammelten sich die Legaten und die Bewohner der umliegenden Dörfer zur Abendmesse im Tempel. Wo sich die steinernen Sitzreihen nicht schnell genug füllten, halfen eifrige Orks begierig nach und bald füllten die unheiligen Worte des halb gesungenen Eingangsgebets die weite Halle.
Kil stand, Ynnlea an seiner Seite, mit ausgebreiteten Armen vor dem Schwarzen Spiegel und hielt die Predigt. Ynnlea ließ sich von seinen Worten umspülen, ohne ihnen wirklich zu lauschen. Sie trug frische, schwarze Legatenroben, ihr Haar fiel ihr so ordentlich wie schon seit Wochen nicht über die Schultern und noch immer war ihre Haut an jenen Stellen, an denen der Schmutz ihrer Reise besonders hartnäckig an ihr gehaftet hatte, leicht gerötet.
Ihr Blick glitt über die furchtsamen Gesichter der im Tempel zusammengedrängten Menschen, beobachtete, wie ihre Münder sich kaum merklich und nicht ohne einen gewissen zögerlichen Widerwillen zum Gesang öffneten, und kehrte doch immer wieder zu Kil zurück, der in seinem schwarzen Zeremoniengewand eine glühende, mitreißend grausame Predigt hielt. Selbst in seiner fanatischen Erregtheit wirkte sein schmales, aber dennoch männliches Gesicht keinen Deut unattraktiver. In seinen Augen blitzte berechnende Intelligenz, aber Ynnlea wusste, dass sie auch von einer leidenschaftlichen Sanftheit sein konnten, und dass sie selbst die einzige war, die je Zeugin dieses Wandels geworden war. Ein schmerzhaft schöner Stich durchfuhr ihr Herz und für einen Moment wich der ausdruckslose Gesichtsausdruck, den sie während der Zeremonien für gewöhnlich zur Schau trug, einem glücklichen Lächeln.
Nichts sehnte sie auf ihren Reisen durch ganz Erenland so sehr herbei wie jene wenigen Tage im Jahr, die sie hier, an Kils Seite, verbringen konnte. Wenn sie jemals einen Ort gehabt hatte, an den sie hatte heimkehren können, den sie hatte ihr Zuhause nennen können, dann war es Kils Tempel.
Mit einem Mal verspürte Ynnlea den unbändigen Drang, ihm ihre Gedanken zu offenbaren, aber Kil hielt noch immer mit sich in immer neue Höhen hetzerischer Wut steigernder Stimme seine Predigt, unerreichbar für alles andere.
»Ich liebe dich...«, flüsterte Ynnlea so leise, dass selbst sie ihre Worte nicht hören konnte, aber es tat gut, sie wenigstens ausgesprochen zu haben.

Nach der Abendmesse kehrte nächtliche Stille im Tempel ein, die mit jeder Minute intensiver und bedrückender wurde. Ynnlea schien es, als sei das leise Rascheln der kostbaren Bettlaken in Kils Gemächern das einzige Geräusch, dass die des Nachts wie leblosen Tempelhallen füllte.
Sie schmiegte sich eng an Kil, genoss die Wärme, die von seinem nackten Körper ausging und hauchte ihm einen sachten Kuss auf die Wange. Blinzelnd öffnete er die Augen und schenkte seiner Geliebten ein sanftes Lächeln, während er seine linke Hand zärtlich ihren Rücken hinabgleiten ließ.
»Es ist schön, dass du wieder da bist.«, murmelte er, die Stimme noch ein wenig ungelenk ob seiner Schläfrigkeit.
»Ja...«, erwiderte sie leise und legte ihren Kopf auf seine Brust. Einige Minuten lang sagte niemand etwas und das Schweigen der beiden Legaten wurde eins mit der Stille des Tempels.
»Kil, ich--«, begann Ynnlea schließlich und drückte sich noch ein wenig näher an ihn, »Ich liebe dich.«
Überraschung huschte über Kils Gesicht, wich aber bald einem leisen Lachen. »Wie sehr?«, hakte er lächelnd nach.
»Mehr als mein eigenes Leben.«, antwortet Ynnlea nach kurzem Überlegen. Die Antwort fühlte sich richtig an, schien aus ihrem tiefsten Herzen zu kommen.
Wieder lachte Kil, aber hinter der Heiterkeit in seinen Augen verbarg sich mehr Ernst, als Ynnlea zu erkennen vermochte.
»Wen liebst du mehr: Den Dunklen Gott oder mich?« Kil hatte die Frage schneller ausgesprochen, als es ihm lieb war. Es war eine sinnlose Frage, auf die es für jeden Legaten nur eine Antwort gab.
Ynnlea zögerte nicht lange. »Dich!« Sie schob sich ein wenig nach oben und begann, sein Ohrläppchen sanft mit ihren Lippen zu liebkosen. Des erstarrten Ausdrucks auf seinem Gesicht wurde sie erst gewahr, als er sie grob auf den Rücken drückte und sie die kalte Klinge eines Dolches an ihrer Kehle spürte.
»Kil, was---?!«
»Ketzerin!« Kils Stimme war kalt und voller Verachtung, ein anklagender Ton der Enttäuschung haftete ihr an. »Gerade du...«
Ynnlea fühlte, wie warmes Blut aus der Wunde an ihrem Hals zu quellen begann, wie es langsam über ihren Oberkörper rann. Der einzige Schmerz, den sie verspürte, bevor gnädige Dunkelheit sie umfing, war ein alles verzehrendes Brennen in ihrem Herzen.

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