Das Gasthaus

Im Original von Vin

Zwar umfing die Dunkelheit des Abends bereits die gesamte Stadt, aber ebensowenig, wie die nunmehr nächtlichen Straßen sie lockten, verspürte Aylissa Lust, zu schlafen. Der lärmige Schankraum war keine besonders angenehme Alternative, zumal sie Rafael in diese Richtung hatte verschwinden sehen und zwischen ihnen noch immer eine unangenehme Distanz bestand, ein Schweigen, das voller ausweichender Blicke und unausgesprochener Worte war.
Dennoch, es zog sie in die Gesellschaft anderer, selbst, wenn es nur eine vage Ungeduld und Nervosität war, die sie trieb. Sie lenkte ihre Schritte über die Treppe hinauf in das Obergeschoss des Gasthauses, in dem sich die drei Einzelzimmer befanden, die sie hatten mieten können. Kurz verharrte Aylissa zögernd vor der Tür, die zu ihrem eigenen Raum führte, aber schließlich ging sie noch einige weitere Schritte den Gang hinab, bis sie vor Mishas Tür stand.
Kurzentschlossen hob sie die Hand, klopfte an. "Ich bin's." Leise Worte begleiteten das Klopfen.
"Bist du beschäftigt?"

Im Original von Welpenherz

Misha hatte sich in ihrem Zimmer verzogen und lang auf dem Bett. Sie hatte sich auf den Rücken gelegt und die arme hinter den Kopf verschränkt. Ihr Gedanken glitten mal hier her und mal dahin ab, aber am Meisten gedachte sie an ihr jetziges vorhaben und wider war sie sich nicht sicher, ob es ein Guter oder ein Schlechter schritt war, den sie zu gehen wagen wollten.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen als sie ein Sachtes Klopfen an der Tür hörte und eine ihr wohl bekannte Stimme leise Worte sprach. Verwundert setzte sie sich hin und schaute zur Tür.
„Kom nur herein Aylissa, ich hab gerade nichts zu tun.“

Im Original von Vin

Mit sachtem Druck auf die Klinge schwang die Tür auf und Aylissa schob sich durch den Türspalt in das kleine Zimmer. Misha saß aufrecht auf ihrem Bett, den Blick zur Tür gewandt. Augenscheinlich hatte sie nicht damit gerechnet, besucht zu werden.
"Ich wollte fragen, ob du..." Aylissa hielt kurz inne und ließ die rechte Hand in ihre Tasche gleiten, nur um wenig später eine recht kleine, schon deutliche Gebrauchsspuren aufweisende, Schere zutage zu fördern. "...ob du Zeit hast, mir die Haare zu schneiden. Bin schon lange nicht dazu gekommen", fügte sie dann fast ein wenig entschuldigend hinzu und löste gleichzeitig die Spange, die ihr hochgestecktes Haar in seiner Position hielt, sodass ihr das schwarze Haar nun in sanftem Schwung bis über die Schulterblätter fiel.

Im Original von Welpenherz
Leicht nickte der Elfling und stand lächelnd auf, um zu ihrer Freundin zu gehen.
Sie nahm nahm sie an die Hand und führte sie zu dem Stuhl, der Mutter Seelen alleine rum stand. „Das mach gern für dich! Du musst mir nur sagen wie kurz sie werden soll. So wie woher? Kurz über die Schultern?“.
Man sah ihr fast regelrecht an das sie sich über diese Bitte sehr freute und wartete sie geduldig ab, bis sich Aylissa setzten würde.

Im Original von Vin

Nachdem sie auf dem Stuhl Platz genommen hatte, betrachtete Aylissa nachdenklich die fleckige, wohl einstmals weißgetünchte Wand ihr gegenüber.
"Ich weiß nicht...", antwortete sie mit einem halb verlegenen Lächeln. "Ich finde sie zu lang, aber vielleicht kannst du besser einschätzen, was... mir am besten steht." Sie hatte sich nie sonderlich um ihr Haar geschert, meist war ihr lediglich wichtig, dass es ihr nicht ins Gesicht hing oder sie anderweitig behinderte. 'Schön' aussehen, oder ganz bewusst darauf hinzuarbeiten, das waren Konzepte, die sich nur mit äußerster Langsamkeit in ihr Denken schlichen; nichts, was jemals eine große Rolle für sie gespielt hatte.
"Mach was du möchtest und für gut hälst, nur nicht allzu kurz", fügte sie schließlich eine weitere nicht weniger vage Erklärung hinzu, bewegte den Kopf dann in eine gerade Position und richtete den Blick direkt nach vorn.
"Eigentlich nicht so schlecht, die Insel wieder einmal zu verlassen...", sagte sie nach einer Weile langsam, "Dort scheint immer alles stillzustehen. Die Zeit vergeht so langsam..."

Im Original von Welpenherz

Aufmerksam lauschte sie der vagen Beschreibung von ihrer Gefährtin und besah sich erstmal kurz ihr Gesicht, ehe sie die kleine Schere aus der hand von Aylissa nahm und anfing ihr die Haare zu schneiden. Doch während sie die haare etwas kürzte wurde sie etwas Stutzig.
„Du findest das die zeit auf der Insel stehen bleibt? Magst du es nicht, dass es zumindest einen Kleinen ort gibt, in dem wir in Ruhe leben können?“.
Aylissas haare wurden wider nach und nach Schulter lang nur vorne, das gefiel Misha noch nicht so ganz und so setzte sie wider die Schere an.
„ist es das? Brauchst du das Hektische in deinem Leben?“

Im Original von Vin

Unter dem leisen Geräusch der Schere segelten schwarze Haarspitzen wie dunkle Federn dem Boden zu, bildeten einen feinen Teppich auf dem schmutzigen Fußboden. Misha schien zu wissen, was sie tat, auch wenn die nicht mehr unbedingt mit dem Wort 'scharf' zu bezeichnende Schere ihr dabei vielleicht den einen oder anderen Stein in den Weg werfen mochte.
"'Hektisch' ist das falsche Wort. Ich brauche keine tödlichen Gefahren, um mich lebendig zu fühlen, aber... Bewegung... ich weiß nicht, ob es das ist, vielleicht nicht." Ein kurzer ironischer Ausflug ihrer Gedanken zu den Sternen ließ sie daran denken, was laut den sarkossischen Sterndeutern das prägende und treibende Element in ihrem Leben sein sollte.
"Die Insel ist so voller großer Pläne und voller Menschen, die für diese Pläne noch viel zu gebückt gehen. Ich kann es schlecht in Worte fassen. Es ist ein wichtiger Ort, es ist gut, dass es ihn gibt, aber... Ich schätze ihn auf die Distanz stets mehr", sagte sie unter einem halben Lächeln.

Im Original von Welpenherz

Misha hörte aufmerksam die Worte von ihrer Gefährtin und schnitt weiter ihre Haare mit bedacht. Sie schnitt ihr noch einen kleinen Pony, die haare gingen ihr nun vorne bis zur Nasen spitze, und als Misha mit ihren Händen durch die Haare von Aylissa fuhr, Lächelte sie sie erfreut an.
„du siehst wider Süß aus.“ Dann Gab sie ihr die Schere zurück und wurde etwas ernster.
„Kann es sein, dass es etwas gibt was dich Unruhig sein lässt und du deswegen Bewegung brauchst?“
Sie sah sie von oben fragend und erst zu gleich an. Immerhin hoffte sie, das sich täuschte und Aylissa nur von natur aus gern umher Reist.

Im Original von Vin

"Süß...?", wiederholte Aylissa mit zweifelnder Stimme, sich wünschend, dass es in der Herberge mehr Spiegel gegeben hätte - zum Beispiel gleich hier, in diesem Raum, an der Wand, die sie nun schon eine Weile starr fixierte.
Sie schwieg eine Weile, mehr über den Haarschnitt nachsinnend als über Mishas letzte Frage.
"Ja, irgendeinen Grund gibt es wohl, auch wenn ich ihn nicht exakt benennen könnte", sagte sie schließlich rasch, ihre Aufmerksamkeit wieder auf Misha richtend, "Aber ich wüsste nicht, dass es irgendetwas ist, worüber man sich Sorgen machen müsste. Vielleicht ist mir dieses ganze--" Sie unterbrach sich und hielt die Worte, die sie gerade hatte aussprechen wollen, im letzten Moment zurück. Sie senkte ihre Stimme, plötzlich einen suchenden Blick durch den Raum schweifen lassend, bis nur noch ein bloßes Flüstern an Mishas Ohren drang. "Es ist ein seltsames Gefühl, so viele Menschen in Freiheit leben zu sehen. Der Kontrast zu Städten wie dieser hier ist bedrückend und ... wichtig zugleich. Die Insel kann kein Ort der Ruhe sein, solange dieser Kontrast besteht."
Sie fand keine besseren Worte, auch wenn diejenigen, die sie gewählt hatte, unvollständig waren.

Im Original von Welpenherz

Den Kopf hatte Misha etwas Schräg gelegt als ihre Gefährtin kurz schweigte und anscheint nach dachte. Vielleicht, so dachte der Elfling, war sie doch zu neugierig gewesen und hätte sie lieber nicht fragen sollen? Aber irgendwie, wollte sie Aylissa auch nicht so leicht bedrückt zurück lassen.
Mit zwei schritten war Misha ans Fußende des Bettes gekommen und setzte sich Aylissa zugewandt wider hin. Das ihre Freundin einmal kurz schwieg in ihren Wortschwall, lies sie stutzig machen und doch wartete sie geduldig auf das, was sie ihr anvertrauen würde.
Als Aylissa dann wider anfing zu sprechen, musste Misha genau hin hören um sie zu verstehen und musste danach ebenfalls etwas schweigen.
„Du hasst recht. So lange dieser Kontrast besteht wir die Insel nie ganz ein ort der Ruhe sein. Aber die wage Hoffnung an diesen Gedanken, beruhigt.
Aber irgendwann Aylissa, werden alle wider frei leben können. Da bin ich mir sicher, denn es gibt immer mehr Widerständler jäh mehr wir die Leute befreien und irgendwann wird die Pein, die sie jetzt noch durchleben, ein Ende haben.“
Im inneren war sie sich sicher über ihre Worte und ihre Bedeutungen, aber dennoch zweifelte sie, ob es das war, was Aylissa auf den Herzen hatte.

Im Original von Vin

Aylissa fixierte weiterhin starr die gegenüberliegende Wand, ohne dass ihre Miene irgendeine nennenswerte Reaktion gezeigt hätte. Sie hatte solche und ähnliche Worte schon viele Male aus Mishas Mund und auch von den anderen gehört, aber die Gewissheit und ehrliche Überzeugung, die darin mitschwang, war ihr noch immer genauso fremd wie beim ersten Mal.
Mishas 'irgendwann' war so voller Naivität, dass es schon fast wie 'morgen' klang.
Aylissa legte den Kopf ein wenig in den Nacken, sodass sie nun die Decke des Raumes betrachtete, die Wand und Boden an Schmutzigkeit in nichts nachstand.
"Hm, vielleicht", sagte sie nach einer Weile, "Irgendwann... Wer weiß das schon." Aylissas Blick wanderte wieder abwärts, bis er auf Mishas von braunen Haaren umrahmtes Gesicht traf. "Was ist es denn, das dir diese Sicherheit verleiht?"

Im Original von Welpenherz


Misha riss die Augen auf und war verblüfft über diese Frage. Sie wandte den Blick von Aylissa und sah in ihren Schoss. Nie hatte sie wirklich drüber nachgedacht, was ihr diese Gewissheit verlieh, noch wie es für andere rüber kam, wenn sie zum aber malsten beteuerte das es bessere Zeiten geben würde, in der Zukunft.
Ein wenig irritiert wiegte, brauchte sie eine weile ehe sie ihre Gedanken wider Orden und in Aylissas aufmerksamen Augen sehen konnte.
„Ich kann dir nicht genau sagen was mir diese Sicherheit verleiht…aber ich weis, dass so wie es jetzt ist, nicht so bleiben kann und das die Zukunft nur besser sein muss.“
Dann fing sie fast über sich selber, an zu Lächeln.
„Es ist also die Zukunft die mir die Sicherheit gibt und auf der ich Vertraue.“

Im Original von Vin

Wären diese Worte von Rafael gekommen, hätte Aylissa sie mit ehrlichen Zweifeln beantwortet; sie hätte ihnen vermutlich einen halb bissigen Kommentar entgegen gehalten, wenn Armarn sie ausgesprochen hätte; und wäre Bashshar ihr Gegenüber gewesen, so hätte sie vermutlich lediglich eine nichtssagende Geste gemacht, die aus dem Wissen entsprang, dass eine weitere Diskussion so oder so wenig fruchtbar sein würde.
Aber Misha erwartete offensichtlich etwas anderes von ihr, und Aylissa brachte es nicht über's Herz, sie tatsächlich mit den Worten zu konfrontieren, die im Moment ihren Gedanken und ihrer Überzeugung entsprachen.
Was war das schon, die Zukunft?
Eine Ausrede, um das Jetzt nicht sehen zu müssen und eine naive Idee ohne viel Realitätsgehalt. Ebenso eine Flucht wie der Wunsch Armarns, aus der Insel eine Art paradiesischen Ort für seine zukünftigen Kinder machen zu können. Die Zukunft, das war die stetig vorrückende Front am Rande Erethors, das war der Ausdruck völliger Gebrochenheit, der in den Augen der Menschen zur Normalität geworden war.
"Wir haben uns schon so oft überschätzt", sagte Aylissa schließlich, nach behutsamen Worten suchend, "Vielleicht, weil wir nur die Zukunft vor Augen hatten und dadurch auch die Gegenwart anders gesehen haben, als sie ist."
Ihr lagen so viele Worte auf den Lippen, aber keins davon hätte sie aussprechen können, ohne das zu verletzen, an was Misha glaubte.
"Aber es braucht Träumer, Visionäre, Idealisten, ganz sicher. Ohne sie gäbe es keinen Widerstand", sagte sie statt dessen in dem Versuch, eine diplomatische Antwort zu finden und mit einem kurzen Lächeln.

Im Original von Welpenherz

Das Lächeln aus dem runden Gesicht verschwand und ein nachdenkliches trat stattdessen hervor. Misha hatte das Gefühl das ihre Gefährtin, noch mehr Gedanken hatte dazu, und es nur durch beschönigende Worte, versuchte ab zu tun und vielleicht auf ein neues Thema zu kommen. Aber vielleicht irrte sie sich ja auch. Immerhin hatte sie sich schon oft geirrt.
„Du hasst recht, wir haben uns schon oft überschätzt. Aber lernen wir nicht jedes Mal daraus, bedachter vor zu gehen? Vielleicht sollten wir uns wirklich mehr der Gegenwart widmen und so besser Planen was wir als nächstes tun. Die Zukunft ist so fern wie ein Stern am Himmel, nur die Gegenwart zählt. Nicht wahr?“
Misha sah Aylissa fragend und fast leicht bedrückt an.
„Aber wie denkst du darüber`? Gibt es eine Zukunft für dich?“.