(Original von Nadja)
Der Griff nach ihrer Magie verlangte Aylissa mehr Konzentration ab als üblich, mehrmals musste sie ansetzen, bis der Heilzauber ihr gelang. Ihre Hände bebten, als sie sie langsam über Armarns wunden Rücken gleiten ließ. Die Striemen, die sie selbst in sein Fleisch geschlagen hatte, verheilten unter ihrer Berührung, die aufgesprungene Haut, unter der helles Fleisch zum Vorschein gekommen war, schloss sich wieder und ließ nur lange Narben zurück, die sich quer über seinen ganzen Rücken zogen.
Unter einem erleichterten Seufzen zog Aylissa die Hände zurück und ließ sich vorsichtig auf der Bettkante nieder. Armarns Atem ging nun merklich ruhiger, seine Augen waren halb geschlossen, sodass es nicht mit Sicherheit möglich war, zu sagen, ob er wach war oder bereits schlief.
"Glaub mir, für mich war das nicht angenehmer als für dich.", sagte sie leise, nicht wissend, ob er sie wirklich hören konnte.
Die Geschehnisse des Abends drängten sich unaufhaltsam zurück in ihre Gedanken. Unwillkürlich fuhr ihre Hand zu jener Stelle, an der die Robe des toten Legaten ihre Haut direkt berührt hatte. Ein schmutziges Gefühl.
"Wir hätten früher kommen sollen. Ich war zu sorglos."
Ihr Blick glitt über die Stellen an seinem Körper, an denen sich noch Minuten zuvor jene Wunden befunden hatten, welche man ihm vor ihrem Eintreffen im Gefängnis zugefügt haben musste. Nichts davon würde bleibende Schäden hinterlassen, aber allein der Anblick der Wunden hatte Aylissa erschüttert. Zu vertraut.
Das halb enttäuschte, aber größtenteils desinteressierte Blitzen in den Augen der Folterer, die vielleicht gerade Spaß an der Sache gewonnen hatten, sich jedoch wahrscheinlich wenig später mit demselben kaltblütigen Arbeitswillen einem neuen Opfer zuwenden würden. Ein schmerzhafter, nicht unbekannter Stich im Herzen.
Aylissa erinnerte sich an das Gefühl des lederumwundenen Peitschengriffs in ihrer Hand. Während Iskir und die anwesenden Legaten sie aus aufmerksamen, erwartungsvollen Augen fixierte hatten, hatte sie gespürt, wie etwas über die Waffe direkt in ihr Herz gesprungen war und nach ihr gegriffen hatte, ihr ein höhnisches Willkommen in die Seele geflüstert hatte. Der erste der fünf Schläge war härter gewesen, als sie es selbst beabsichtigt hatte und hatte sie innerlich erschauern lassen.
Ein weiteres Mal strich ihr Blick über die frischen Narben auf dem Rücken des Weißhaarigen.
"Ein Glück, dass es so ausgegangen ist. Ich kann nicht glauben, dass man uns tatsächlich nicht enttarnt hat.", sagte sie langsam. 'Und gut, dass du standhaft geblieben bist und ihnen nichts erzählt hast.', fügte sie in Gedanken hinzu.
"Ich bin froh, dass es... dass es nicht schlimmer gekommen ist."